Viktor und Marina Y. aus Donetsk
Viktor macht mit Frau und seinem Sohn Dmutro Aliyah. Er erzählt ihre Geschichte.
‘Meine Frau und ich kommen aus Donetsk und sind beide Ärzte von Beruf. Ich bin Chirurg und meine Frau ist Rehabilitationstherapeutin. Wir haben zwei Söhne – der älteste ist 24 Jahre alt. Er reiste letztes Jahr nach Israel und studiert dort erfolgreich. Der jüngere ist Teenager, der seine ersten Schritte ins Erwachsenenleben macht, und wir möchten ihm die Chance geben, eine Perspektive für die Zukunft zu bekommen.
Meine Frau und ich haben unsere Heimat Donetsk sehr geliebt. Vor dem Krieg war sie unglaublich schön, sie blühte und entwickelte sich. Aber nach 2014 änderte sich alles. Nachdem die Stadt den Beschuss überstanden hatte, wurde sie unkenntlich gemacht und nach dem Machtwechsel herrschte völlige Willkür, Anarchie und Gesetzlosigkeit. Die Stadt stirbt allmählich, nichts wird wieder aufgebaut, alles verfällt noch mehr und was übrig bleibt, wird geplündert. Im Medizinbereich wird es immer schlechter und wir wissen, dass es in Zukunft noch schlimmer werden wird.
Ich habe in einem Krankenhaus operiert. Die Arbeit ist hart und die Bezahlung gering; meine Frau verdient noch weniger. Finanzielle Schwierigkeiten belasteten unser Leben schwer und es gab weder Hoffnung auf Besserung noch Aussicht auf Entwicklung. All diese Umstände veranlassten meine Frau und mich, über eine Rückführung nach Israel nachzudenken. Ich wusste, dass ich jüdische Wurzeln habe, habe mich aber lange nicht getraut, mich mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen.
Ich habe Esra um Rat, wegen den Dokumenten, gebeten. Sie sagten mir, was ich tun sollte, halfen und unterstützten mich. Aber der Prozess, jüdische Wurzeln zu finden und wiederherzustellen, erwies sich als zeitaufwändig und schwierig. Wir beschlossen, dass unser ältester Sohn zuerst nach Israel gehen sollte, weil er die Möglichkeit hatte, ein Ausbildungsprogramm in Israel zu besuchen. Er wurde ein Pionier! Wir reisten mit der ganzen Familie durch die Ukraine zum Konsulat, um ein Visa zu bekommen. Es war gut, dass die Grenzen zur Ukraine damals noch offen waren. Jetzt sind wir durch Quarantäne komplett davon abgeschnitten und man kommt nur noch über die russische Grenze dort hin.
Wir haben die Auswirkungen der Grenzschliessung zur Ukraine gespürt, nachdem wir unser Visa erhalten hatten. Unser Flug war gebucht, um vom Flughafen Borispol in Kiew nach Israel zu fliegen und mussten unser Gepäck irgendwie in die Ukraine bringen. Wir entschieden uns, wie alle anderen auch, durch Russland zu reisen. Uns war kalt und wir hatten schrecklichen Hunger. Beim Grenzübergang nach Russland sagten ukrainische Zollbeamte, dass dies illegal sei und forderten von jeder Person Bestechungsgelder. Kaum zu glauben, dass dies in einem Land passiert, das als europäisch und zivilisiert gilt! Der ganze Übergang in die Ukraine duaerte ein Tag.
Jetzt, im Rückblick, verstehen wir, dass wir nur einen Teil des Weges geschafft hatten – es wird andere Prüfungen geben, Umstände, an die wir uns anpassen müssen, Schwierigkeiten, die überwinden werden müssen – aber es gibt Hoffnung, es gibt Freude, es gibt Perspektiven, es gibt ein Ansporn, sich zu bemühen und erfolgreich zu sein.
Wir folgen ein Programm für Ärzte und ich weiss, dass wir mit der Unterstützung des Staates und unseren Bemühungen Erfolge haben werden. Nach dem Programm für Ärzte werden wir ausgebildet, die Sprache zu beherrschen, zu üben und dies durch unser Diplome zu bestätigen. Wir wollen arbeiten, uns entwickeln und Kindern helfen. Wir glauben, dass sich das Leben zum Besseren verändern wird.
Esra hat uns sehr geholfen. Ihre Unterstützung war sowohl moralisch als auch materiell. Wir bekamen die Nachricht, dass sie die Kosten für das Sammeln von Dokumenten, Pässen, Reisen zum Konsul und Unterkunft auf ukrainischer Seite bis zu unserem Konsulartermin übernommen haben. Wir wurden zum Grenzübergang zu Russland gebracht und trafen uns dann auf der ukrainischen Seite. Wir kamen am Tag vor unserem Flug an und sie arrangierten eine Übernachtung für uns und brachten uns dann zum Flughafen.
In meinem Herzen habe ich grosse Dankbarkeit und Wertschätzung! Es ist so schwer, der Gefangenschaft zu entkommen, in der wir uns befanden, und diese Gefangenschaft heisst Volksrepublik Donesk! Mit Ihrer Hilfe ist uns das gelungen und nun haben wir und unsere Kinder die Chance, ein normales Leben zu führen. Danke für alles!’